18.06.2024

Ein „Sekretär“ in Buchform: Hilfe gegen Bürokratie

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Gabriele Blömker
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gabriele.bloemker@lv.de

Bestseller der Jahrhundertwende: 1897 erschien erstmals „Der Guts-Sekretär – Geschäftshandbuch für den deutschen Landwirt“ – in drei Jahrzehnten gab es sieben Neuauflagen. Hier die Titelseite der Auflage von 1927.

Bestseller der Jahrhundertwende: 1897 erschien erstmals „Der Guts-Sekretär – Geschäftshandbuch für den deutschen Landwirt“ – in drei Jahrzehnten gab es sieben Neuauflagen. Hier die Titelseite der Auflage von 1927.

Auch vor gut 100 Jahren passte keine Steuererklärung auf einen Bierdeckel: Muster-Steuerklärung aus dem Buch „Der Guts-Sekretär“ von 1927.

Auch vor gut 100 Jahren passte keine Steuererklärung auf einen Bierdeckel: Muster-Steuerklärung aus dem Buch „Der Guts-Sekretär“ von 1927.

Wie verfasse ich eine gute Verkaufsanzeige? – Das Buch „Der Guts-Sekretär“ von 1927 bot seinen Lesern eine Fülle an Textbeispielen.

Wie verfasse ich eine gute Verkaufsanzeige? – Das Buch „Der Guts-Sekretär“ von 1927 bot seinen Lesern eine Fülle an Textbeispielen.

Allen liebgewonnenen Legenden zum Trotz: Auch Landwirte früherer Generationen hatten sich mit Bürokratie, mit Formularen und mit lästigem Papierkram herumzuschlagen. „Es ist nicht zu leugnen und auch begreiflich, dass sich der Landwirt nicht allzu gern mit schriftlichen Arbeiten befasst“ – so lautet der Eröffnungssatz eines mehr als 100 Jahre alten Buches mit dem Titel „Der Guts-Sekretär – Geschäftshandbuch für den deutschen Landwirt“. Den meisten Landwirten, so heißt es da, „drohen die schriftlichen Arbeiten über den Kopf zu wachsen“. Und weiter: „Hier musste Wandel geschaffen und ein Buch verfasst werden, das als gedruckter Gutssekretär einen solchen aus Fleisch und Bein ersetzen kann.“

Das Buch zählt zu den ungewöhnlichsten Publikationen, die in der „Westfälischen Bibliothek der Landwirtschaft“ in Münster-Hiltrup aufbewahrt wird. Denn auf mehr als 400 Druckseiten finden sich darin rund 600 Musterbriefe, -formulare und -anzeigen für jeden Anlass und Zweck.

Verfasser des Werkes war Karl Petri, Lehrer an der „Landwirtschaftlichen Lehranstalt“ in Hohenwestedt in Holstein. Er hat mehrere Ratgeberschriften und Wirtschaftsfachbücher verfasst, etwa eine „Handelskunde für den Landwirt“ (1912) oder auch eine Darstellung über „Landwirtschaftliches Arbeiterwesen und Landwirtschaftliches Genossenschaftswesen“ (1921). Der „Guts-Sekretär“ war sein erfolgreichstes und am häufigsten aufgelegtes Werk. Bis 1927 erschienen sieben Neuauflagen – ein Exemplar der siebten Auflage wird in Münster-Hiltrup aufbewahrt.

Der Berliner Verleger Paul Parey hatte das Ratgeberbuch angeregt, das 1897 erstmals in seiner „Verlagsbuchhandlung “ in Berlin 1897 erschienen ist. Die Idee lag in der Luft, denn gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren die Anforderungen des modernen Industrie- und Verwaltungsstaates auch an die Landwirtschaft stark gewachsen. Mehr denn je mussten sich Landwirte mit Behörden und Gerichten, aber auch mit seinerzeit neu entstehenden Banken und Genossenschaften austauschen. Nur die wenigsten wussten überdies, wie bargeldloser Verkehr funktioniert, wie ein Prozessverfahren vor Gericht abläuft oder was ein ländlicher Gemeindevorsteher zu beachten hat.

Antworten lieferte der gedruckte „Guts-Sekretär“. Das Standardwerk fehlte auf kaum einem größeren Hof oder Gutsbetrieb in Deutschland. Heute ist es natürlich längst überholt. Die Textvorlagen sind längst veraltet, manche klingen auch unfreiwillig komisch. Aber das Buch erlaubt einen überaus anschaulichen, tiefen Blick hinter die Kulissen eines landwirtschaftlichen Betriebes um 1900 und ist eine ausgezeichnete Quelle zum damaligen Lebensalltag auf dem Land.

Die „Westfälische Bibliothek der Landwirtschaft“ (WBL) in Münster-Hiltrup umfasst rund 6500 Bände praxisorientierter landwirtschaftlicher Fachliteratur aus fünf Jahrhunderten. Ein regionaler Schwerpunkt liegt auf Titeln aus Westfalen-Lippe und Nordwestdeutschland. Die Sammlung befindet sich im Eigentum der Stiftung Landwirtschaftsverlag in Münster und ist als Präsenzbibliothek organisiert. Agrargeschichtlich Interessierte können den Bestand digital durchsuchen (WBL-Bestand) und die Bücher nach vorheriger Anmeldung vor Ort nutzen.