15.10.2024

Alles darf sich ändern, nur der Bauernhof nicht

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Was Schulbücher über Landwirtschaft alles nicht wissen: Alfred Oberlack erregte 1964 Aufsehen mit seinem Buch „Schulbücher unter dem Dreschflegel“

Schulbücher verbreiten Unfug über die Landwirtschaft oder zeichnen eine Bauernhof-Idylle, die es nie gegeben hat – so lautet die Kernaussage eines Buches, das 1964 erschienen ist und für Furore sorgte. Dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ war es sogar einen ausführlichen Bericht wert.

Das sechzig Jahre alte Buch trägt den Titel „Schulbücher unter dem Dreschflegel“. Es zählt zu den originellen Sammelstücken in der „Westfälischen Bibliothek der Landwirtschaft“ in Münster-Hiltrup.

Wo sind Traktor und Mähdrescher?

„Wir sind besorgte Staatsbürger, die nicht länger zusehen wollen, wie unsere lernende Jugend durch wirklichkeitsfremde Schulbücher für dumm verkauft wird“ – so wetterte der Autor des Buches, der Jurist und Landtechnikexperte Alfred Oberlack. Mehr als 140 Schulbücher hatte der gebürtige Westfale seinerzeit untersucht und darin vergeblich nach zeitgenössischer Landtechnik gesucht. Keine Melkmaschine, kein Traktor, kein Mähdrescher. Oberlack fand nicht einmal eine dampfgetriebene Dreschmaschine, sondern stattdessen flegelschwingende Knechte. Sie waren schon damals, 1964, längst aus der Zeit gefallen , genauso wie die Mägde, die frische Kuhmilch im Eimer auf dem Kopf transportierten, oder der Großvater, der vor der Scheune sitzt und die Sense dengelt.

„Stehlen sie uns nicht die Romantik“

Von „deutscher Schulbuch-Scholle“ sprach seinerzeit das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, als es die erschütternden Fundstücke Oberlacks ausbreitete. Das Blatt aus Hamburg befand: „Die Schulweisheit stellt den Landwirt immer noch als Muster treudeutscher Einfalt hin, oder sie verklärt ihn gar zu einem romantisch-muskelstrotzenden Denkmal.“

Oberlacks Buch „Schulbücher unter dem Dreschflegel“ erzählt auf ungewöhnliche Weise vom Strukturwandel in der Landwirtschaft. Vor allem aber erzählt es davon, wie dieser Umbruch in der jungen Bundesrepublik übersehen wurde. Der Bauernhof war und blieb ein Ort der Idylle – so wie bei der Grundschullehrerin, die dem Buchautor Alfred Oberlack vor sechzig Jahren entgegnete: „Stehlen Sie uns doch nicht die letzte Romantik, die uns noch der Bauernhof bietet! Wir können sie nicht entbehren, auf gar keinen Fall in den Anfangsklassen.“

Informationen zur Bibliothek

Die „Westfälische Bibliothek der Landwirtschaft“ (WBL) in Münster-Hiltrup umfasst rund 6500 Bände praxisorientierter landwirtschaftlicher Fachliteratur aus fünf Jahrhunderten. Ein regionaler Schwerpunkt liegt auf Titeln aus Westfalen-Lippe und Nordwestdeutschland. Die Sammlung befindet sich im Eigentum der Stiftung Landwirtschaftsverlag in Münster und ist als Präsenzbibliothek organisiert. Agrargeschichtlich Interessierte können den Bestand digital durchsuchen (WBL-Bestand) und die Bücher nach vorheriger Anmeldung vor Ort nutzen.